Physiknobelpreis 1970: Hannes Alfvén — Louis Néel

Physiknobelpreis 1970: Hannes Alfvén — Louis Néel
Physiknobelpreis 1970: Hannes Alfvén — Louis Néel
 
Der Schwede Alfvén wurde ausgezeichnet für seine Arbeiten in der Magnetohydrodynamik, der Franzose Néel für die Beiträge zum Ferromagnetismus.
 
 Biografien
 
Hannes Olof Gösta Alfvén, * Norrköping (Schweden) 30. 5. 1908, ✝ Djursholm (bei Stockholm) 2. 4. 1995; 1926 Promotion, ab 1940 Professor für Elektronik, 1963 für Plasmaphysik in Stockholm; begründete die Magnetohydrodynamik.
 
Louis Eugène Félix Néel, * Lyon 22. 11. 1904; 1937 Professor in Straßburg, ab 1945 in Grenoble, ab 1946 Direktor des Labors für Elektrostatik und Metallphysik in Grenoble.
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
Mit 25 Jahren versuchte sich Hannes Alfvén an einer noch unzureichenden Theorie des Ursprungs der kosmischen Strahlung. Er war der Meinung, dass es sinnlos sei, neue Hypothesen aufzustellen. Stattdessen sollte schlicht die bestehende kinetische Gastheorie auf die Bedingungen des Weltraums angewandt werden. Schon damals arbeitete er intuitiv. Das blieb auch so, als er 1942 begann, das Nordlicht (Aurora borealis) zu ergründen. Er beschrieb die stabile Zirkulation elektrisch geladener Teilchen um den magnetischen Planeten Erde mit simplen physikalischen Mitteln. Vor seiner Entdeckung mussten die Flugbahnen der Partikel durch numerische Integration mühsam berechnet werden. Die Mitarbeiter des norwegischen Geophysikers und Mathematikers Fredrik Størmer, der ebenfalls das Nordlicht untersuchte, brauchten dazu, noch ganz ohne digitale Rechner, jeweils mehrere Wochen.
 
 Alfvén dachte intuitiv
 
Die ausgeprägte physikalische Vorstellungskraft des schwedischen Forschers störte viele Kollegen. Jahrelang musste er um die Anerkennung seiner Ideen kämpfen. Zwei Jahrzehnte vor der Entdeckung durch den amerikanischen Physiker James Alfred van Allen stellte er bereits die These von Strahlungsgürteln in der Magnetosphäre der Erde auf. In diesen Zonen treten geladene Teilchen aus der kosmischen Strahlung gehäuft auf. Auch seiner Behauptung von elektrischen Feldern und elektrischen Strömen im Raum wollte niemand so recht folgen. Noch bevor seine Hypothese von elektrischen Feldern, die senkrecht zum Magnetfeld der Erde stehen, anerkannt war, fügte er eine weitere Provokation an. Er postulierte eine »Doppelschicht« in der Magnetosphäre, der äußersten Atmosphärenschicht. Starke elektrische Felder sollten parallel zu den lokalen Magnetfeldern der Erde liegen.
 
Alfvén behielt Recht. In die Diskussion um die Entstehung des Nordlichts brachte er daraufhin die fundamentale Idee ein, dass Plasma auch im Raum mit einem Magnetfeld assoziiert sein könnte. Das Feld zwingt die positiv und negativ geladenen Teilchen eines Plasmas, in entgegengesetzte Richtungen zu fliegen, wodurch elektrische Stromflüsse entstehen. Die Wechselwirkung dieser Ströme bewirkt mechanische Kräfte, die die Richtung und die Geschwindigkeit des Plasmas vollkommen verändern können. Bei diesen Überlegungen entdeckte Alfvén die magnetohydrodynamischen Transversalwellen, »Alfvén-Wellen«, die sich in einem von Magnetfeldern durchsetzten Plasma hoher elektrischer Leitfähigkeit ausbreiten können und zur Mikropulsation der Atmosphäre führen.
 
Alfvén war über die atomare Bedrohung durch das Wettrüsten während des Kalten Kriegs tief besorgt. Er schrieb 1976: »Wird der Mensch dazu fähig sein, genügend Verstand, genügend Gehirn und genügend Initiative zu mobilisieren, um sich selbst vor der Auslöschung zu retten? Die Aussichten scheinen gegenwärtig nicht allzu gut zu sein. Aber sollten wir uns nicht vereinen und gemeinsam einen ernsten Versuch machen?«
 
 Louis Néel und der Magnetismus
 
Der Magnetismus, dem sich der zweite Physikpreisträger des Jahres 1970, Louis Néel, vor allem widmete, war vor mehr als 2000 Jahren in China entdeckt worden. Ein Eisenstab konnte durch das Bestreichen mit Magneteisenstein magnetisiert werden. Doch erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts kam die Wissenschaft der Aufklärung des Phänomens näher. Der französische Physiker Pierre Weiss formulierte 1907 die Hypothese von den kleinsten Elementarmagneten und entdeckte den quantenhaften Charakter der magnetischen Momente der Atome. Atome erfahren durch die Bewegung der Elektronen ein magnetisches Bahnmoment. Das Elektron besitzt durch seinen Spin (Eigendrehimpuls) auch ein eigenes magnetisches Moment. Der Gesamtdrehimpuls des Atoms hängt von seinen Elektronen ab.
 
 Variable Ausrichtung der Elementarmagnete
 
Sind die Elektronenschalen aufgefüllt, verschwindet der Gesamtdrehimpuls, da sich die Einzelimpulse aufheben. Die Stoffe sind unmagnetisch oder diamagnetisch. Diamagnetisch sind alle Stoffe, sofern nicht Para- oder Ferromagnetismus überlagert ist. In einem äußeren Magnetfeld können sich die atomaren magnetischen Dipole gleichrichten. Paramagnetische Materialien bilden ein nach außen wirksames schwaches Magnetfeld aus, da sich die Dipole nur in geringem Maß polarisieren lassen. Die magnetische Gleichrichtung ist bei den ferromagnetischen Stoffen Eisen, Kobalt und Nickel wesentlich größer. Schon schwache äußere Magnetfelder verstärken ihren Magnetismus enorm.
 
Diesen drei bekannten Typen fügte Néel, der ein Schüler von Weiss in Straßburg war, 1932 den Antiferromagnetismus hinzu. An Kristallen hatte er entdeckt, dass sich die Spins benachbarter Elementarmagnete beziehungsweise Atome antiparallel ausrichten und über den gesamten Kristall exakt kompensieren. Makroskopisch ist keine Magnetisierung messbar. So ordnen sich Manganionen im Gitter des Manganoxids paarweise antiparallel. Nach außen zeigt das Kristall Diamagnetismus. Beim Überschreiten der spezifischen Néel-Temperatur — bei Manganoxid liegt sie bei 110 Kelvin — wird die Substanz paramagnetisch.
 
1948 entdeckte Néel, dass zwei Gitter eines Kristalls unterschiedliche Felder ausbilden können. Die Eigenschaft tritt nur bei den Ferriten, gesinterten Oxiden aus Eisen, Nickel, Mangan, Zink und Cadmium auf. Diese besitzen zwei verschachtelte Untergitter mit unterschiedlich vielen Gitterplätzen. Sind die Spins der Atome auf einem Untergitter parallel ausgerichtet und auf dem anderen antiparallel, bleibt bei unterschiedlicher Anzahl der Gitterplätze eine Magnetisierung übrig. Typischer Vertreter ist der Magneteisenstein mit zwei Fe2+-Ionen auf dem einen und einem Fe3+-Ion auf dem anderen Gitter. Néel nannte diesen Effekt ferrimagnetisch. Solche Substanzen haben einen sehr hohen spezifischen elektrischen Widerstand. Sie werden als Kerne für Spulen in der Hochfrequenztechnik, aber auch als Speicherelemente in der elektronischen Rechentechnik eingesetzt.
 
U. Schulte

Universal-Lexikon. 2012.

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